Desinfektionsmittel im Haushalt
Hier erfahren Sie alles Wichtige über Desinfektionsmittel und deren sinnvolle Anwendung.
- Hände waschen statt desinfizieren
- Seife ohne desinfizierende Zusätze verwenden
- Flächen reinigen statt desinfizieren
- Haushaltsreiniger ohne desinfizierende Zusätze verwenden
- Desinfektion im Privathaushalt ist nur in Sonderfällen sinnvoll
- Bei Desinfektion: Produkt-Etikett beachten!
- Gegen WELCHE Organismen wirkt das Produkt
- WIEVIEL des Produkts muss aufgetragen werden
- WIE LANGE muss das Produkt einwirken
Nein zur Desinfektion im Haushalt
Das österreichische Umweltbundesamt sowie zahlreiche andere Institute und Behörden (zum Beispiel BMK, BfR)* stellen fest, dass in Privathaushalten Desinfektionsmitteln normalerweise nicht notwendig sind und daher auch nicht verwendet werden sollten. Das ist unabhängig davon ob es sich um Hände oder Oberflächen handelt. Die Hände 30 Sekunden mit Seife (beziehungsweise einem Reinigungsmittel bei Oberflächen) zu waschen ist dabei ein ausreichender Schutz vor Krankheitserregern. Antimikrobielle beziehungsweise bakterizide Zusätze haben dabei keinen zusätzlichen Nutzen gezeigt. Solche Zusätze stehen oft hinter folgenden Bezeichnungen: „keimvernichtend“, „desinfizierend“, „bakterizid“, „anti-bakteriell“, „mit Aktivchlor“, „reinigt hygienisch“, „beseitigt 99,9% der Bakterien, Keime, Viren“.
Weiterführende Informationen:
- Information und Folder der Stadt Wien: Nein zu Desinfektion im Haushalt
- Produkttest des österreichischen Vereins für Konsumenteninformation (VKI): Handhygiene-Produkte gegen Viren
Vollständige Testergebnisse in der Zeitschrift KONSUMENT (kostenpflichtig) - Eine ausführliche Bildanleitung zu richtigem Händewaschen steht Ihnen auf der Webseite des Roten Kreuzes zur Verfügung: Händewaschen rettet Leben!
*BMK: Österreichisches Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie
BfR: Deutsches Bundesinstitut für Risikobewertung
Desinfektionsmittel sind Biozidprodukte
Ein Desinfektionsmittel ist ein so genanntes Biozidprodukt. Desinfektionsmittel enthalten zumindest einen Wirkstoff, der negativ auf die (Mikro)Organismen wirkt, wie etwa diverse Alkohole oder Wasserstoffperoxid. Zusätzlich beinhalten Desinfektionsmittel oft Wasser sowie Duft- und andere Hilfsstoffe, die zum Beispiel im Fall der Händedesinfektion das Eindringen in die Haut verbessern, feuchtigkeitsspendend wirken oder Bindemittel, die das Desinfektionsmittel zu einem Gel machen.
Grundsätzlich unterstehen Biozidprodukte der Europäischen Biozidprodukteverordnung und durchlaufen ein Zulassungsverfahren. In diesen Fällen besitzt ein Produkt eine entsprechende Zulassungsnummer, die ein gutes Erkennungsmerkmal für geprüfte Desinfektionsmittel darstellt. Im österreichischen Biozidprodukte-Verzeichnis finden Sie alle in Österreich zugelassenen Produkte. Je nach enthaltenem Wirkstoff kann ein Desinfektionsmittel aber noch von der Zulassung ausgenommen sein (sogenannte Übergangsphase).
Wird ein Desinfektionsmittel verwendet, werden die (Mikro)Organismen nicht primär entfernt, sondern abgetötet. Ein Reinigungsmittel dient primär der Entfernung von (Mikro)Organismen. Desinfektion ersetzt daher nicht die normal übliche Hygiene.
Risiken bei unsachgemäßer Verwendung
Werden Desinfektionsmittel nicht sachgemäß verwendet, wird mehr Schaden als Nutzen verursacht:
Förderung resistenter Keime
Mit zunehmender Häufigkeit und Menge gewöhnen sich Mikroorganismen an den Einsatz von Bioziden. Da nicht immer alle Mikroorganismen absterben, können die überlebenden Resistenzen entwickeln, sodass das Desinfektionsmittel in kürzester Zeit keine Wirkung mehr haben kann. Dann stellt die Verwendung von Desinfektionsmitteln ein Gesundheitsrisiko dar und vermittelt außerdem ein falsches Sicherheitsgefühl.
Gesundheitsrisiken
Desinfektionsmittel enthalten oft Zusätze, die Hautirritationen, Ekzeme und Allergien auslösen können. Durch die Anwendung wird außerdem die natürliche Schutzbarriere der Haut gestört und Krankheitserreger können schneller eindringen. Für den Menschen nützliche Mikroorganismen („Hautflora“) werden daher ebenso negativ beeinträchtigt wie potentielle Schaderreger. Desinfektionsmittel unterscheiden nämlich nicht zwischen „nützlichen“ und potenziell krankheitserregenden Mikroorganismen.
Außerdem: Kinder können Desinfektionsmittel irrtümlich verschlucken und sich vergiften.
Umweltrisiken
Durch den Eintrag von Desinfektionsmittel über den Abfluss/das Abwasser gelangen abtötende Substanzen in die Kläranlage beziehungsweise auch darüber hinaus in die Umwelt. In Kläranlagen kann sich der Eintrag stark negativ auswirken, da die für die Abwasserreinigung erforderlichen Bakterien ebenfalls abgetötet werden. In der Umwelt sind Bakterien, Pilze, Hefen und Viren wichtig für viele Prozesse, die wir in Luft, Wasser und Boden kennen. Gelangen zu viele biozide Stoffe in die Umwelt, kommen viele dieser für uns wichtigen Prozesse zum Erliegen.
Die unnötige Anwendung von Desinfektionsmitteln schadet sowohl unserer Gesundheit als auch der Umwelt.
Anwendungsbereiche
Im Haushalt sind Desinfektionsmittel nur in ganz spezifischen Situationen und nach Empfehlung der behandelnden Ärztin oder Artzes sinnvoll (zum Beispiel Heimdialyse). Desinfektionsmittel wirken nicht gegen „alles“ sondern sind für unterschiedliche Zwecke und in unterschiedlicher Weise (Tuch, Gel, Flüssigkeit) anzuwenden.
Für die Auswahl des benötigten Desinfektionsmittels und dessen richtige Anwendung unbedingt vorab bei der behandelnden Ärztin oder Arzt oder in der Apotheke informieren.
Folgende wichtige Unterscheidungen gibt es bei Desinfektionsmitteln:
- Wirkspektrum
Jedes zugelassene Desinfektionsmittel muss zumindest Bakterien und Hefen ausreichend abtöten. Dabei handelt es sich um die Mindestanforderung. Darüber hinaus können Desinfektionsmittel zusätzlich gegen Pilze und/oder Viren wirken. Auf die jeweiligen Fachbegriffe, die auf dem Etikett stehen sowie deren Bedeutung wird unter Wirkspektrum: WOGEGEN wirkt das Produkt? eingegangen. - Menge pro Anwendung
Weder ein „Zuviel“ noch ein „Zuwenig“ ist zielführend. Beides kann zu den bereits erwähnten Risiken führen. Besonders ein „Zuwenig“ (und die damit verbundene reduzierte Wirkung) kann zu einem falschen Sicherheitsgefühl und zur Übertragung potentieller Krankheitserreger sowie deren Resistenzbildung führen. Ein „Zuviel“ kann zu gesundheitlichen Problemen durch den Wirkstoffkontakt führen.
Für eine grobe Abschätzung lässt sich sagen, dass beispielsweise 3 mL in etwa einem gestrichenen Teelöffel entsprechen. - Dauer der Anwendung
Desinfektionsmittel sind mindestens so lange, beispielsweise mit den Händen, zu verreiben wie auf dem Etikett steht (zum Beispiel 30 Sekunden). Das ist die Dauer, für die eine abtötende Wirkung in ausreichendem Maße nachgewiesen wurde. Lässt man das Desinfektionsmittel zu kurz wirken, verringert sich auch der Schutz (siehe Risiken).
Abgrenzung zu Reinigungsmitteln:
Reinigungsmittel sind kein Biozidprodukt. Im Vordergrund steht die Entfernung von Schmutzpartikeln und Mikroorganismen, nicht aber deren Abtötung.
Für Desinfektionsmittel müssen auf dem Etikett Angaben zur Verwendung als Biozidprodukt zu finden sein, wodurch sie sich von Reinigungsmitteln unterscheiden lassen. Viele (aber nicht alle) Desinfektionsmittel können außerdem an einer Zulassungsnummer erkannt werden.
Wirkspektrum: WOGEGEN wirkt das Produkt?
Alle Mikroorganismengruppen sind natürlicher Bestandteil von Boden und Wasser und werden in großen Mengen über die Luft transportiert. Sie sind also überall zu finden (ubiquitär).
Die folgenden Begriffe werden auf Etiketten von Desinfektionsmittel verwendet und zeigen gegen welche Mikroorganismen das Desinfektionsmittel eingesetzt werden kann:
- Bakterizid
Das Produkt wirkt gegen Bakterien. Der Mensch besteht zum Großteil aus Bakterien und sie sind deshalb auch wichtiger Bestandteil der Haut und damit essentiell für die menschliche Gesundheit.
Bekannte Erkrankungen, die durch Bakterien verursacht werden, sind beispielsweise viele Lebensmittelvergiftungen, Tuberkulose, Hirnhautentzündung, Lungenentzündung, Arthritis und Milzbrand. - Levurozid
Das Produkt wirkt gegen Hefen.
Hefen und Pilze sind ebenfalls natürlicher Bestandteil des Menschen und ein ausgewogenes Verhältnis ist wichtig für die menschliche Gesundheit.
Bekannte Erkrankungen, die durch Hefen und/oder Pilze verursacht werden, sind beispielsweise Nagelpilz und Ekzeme wie die Schuppenflechte.
Jedes Desinfektionsmittel muss zumindest gegen Bakterien und Hefen wirken, weshalb diese beiden Bezeichnungen auf jedem Etikett stehen.
- Fungizid
Das Produkt wirkt gegen Pilze. - Mycobakterizid / tuberkulozid
Das Produkt wirkt gegen Bakterien der Gattung Mycobacteria.
Dabei handelt es sich um spezielle Bakterienstämme, die unter anderem Tuberkulose auslösen können und ist daher im Umgang mit Patienten/kranken Personen sinnvoll. - Viruzid
Das Produkt wirkt gegen Viren, dabei sind wichtige Abstufungen zu beachten:
a) ‚full virucidal activity‘ oder ‚viruzid‘
Das Produkt wirkt gegen behüllte und unbehüllte Viren und deckt somit das gesamte Spektrum ab.
b) ‘limited virucidal activity’ oder ‘begrenzt viruzid’
Das Produkt wirkt gegen manche unbehüllte und gegen behüllte Viren. Das abgedeckte Spektrum ist geringer als bei ‚viruzid‘.
c) ‘virucidal activity against enveloped viruses’ oder ‘gegen behüllte Viren’
Das Produkt wirkt gegen behüllte Viren. Es ist die geringste Bandbreite an Viren abgedeckt und daher vor allem für spezielle Fälle sinnvoll, die im Alltag keine Relevanz haben.
Bekannte Erkrankungen, die durch Viren verursacht werden, sind beispielsweise Herpes, Grippe, Polio (Kinderlähmung) und Tollwut.
Im Zweifelsfall fragen Sie Ihre Ärztin oder Ihren Arzt oder in der Apotheke welches Desinfektionsmittel für Ihre Zwecke geeignet ist.
Für eine umfangreiche Auflistung sämtlicher Schaderreger verweisen wir auf die Agentur für Gesundheit und Enrährungssicherheit (AGES).
Quellen zum Nachlesen
Die Umweltberatung: Richtige Hygiene im Haushalt
Die Umweltberatung: Hände waschen nicht desinfizieren
Die Wiener Umweltanwaltschaft: Beratung bei der Desinfektionsmittelauswahl
Die Wiener Umweltanwaltschaft: Desinfektionsreiniger & Co. auf dem Prüfstand
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Hygienetipps: Händewaschen
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Deutschland: Hygienetipp: Desinfektionsmittel
Stiftung Warentest: Antibakterielle Ausrüstung – überflüssig
Stiftung Warentest: Hände desinfizieren
BMK: Coronavirus – für die gesunde Allgemeinbevölkerung reicht Hände waschen mit Seife aus!
Umweltbundesamt Deutschland: Hygiene im Privatbereich
Umweltbundesamt Deutschland: Desinfektionsmittel für die menschliche Hygiene
Die Schwenninger Krankenkasse (Deutschland): Vor allem junge Menschen oft zu sorglos im Umgang mit Desinfektionsmittel. Übertriebene Hygiene kann schädlich sein.
Bundesinstitut für Risikobewertung (Deutschland): Desinfektionsmittel nur mit Vorsicht einsetzen
Gemeinsam mit der Umweltberatung wurde ein Folder zum Thema „Tipps zur Vermeidung und sicheren Anwendung von Desinfektionsmitteln“ erstellt.